Mittwoch, 7. März 2012

Paso San Francisco

¡Hola a todos otra vez!

 Das letzte Mal habe ich mich von Copiapo in Chile gemeldet, das sind jetzt etwa 10 Tage und etwa 700 km her. Ein paar Hoehenmeter liegen auch dazwischen;) Aber der Reihe nach. In Copiapo stand mein Entschluss fest, den Paso San Francisco auf einer Meereshoehe von 4726m in Angriff zu nehmen. Die Passhoehe stellt gleichzeitig die Grenze zu Argentinien dar. Um das Abenteuer etwas in genauer in Zahlen zu fassen (als Ingenieur lebt man ja von Zahlen und daher ist mir das das Liebste ;D): Ich habe einen Umweg ueber Norden gewaehlt, um das ca. 200 km von Copiapo (400 m.u.M.) entfernte El Salvador auf 2300 m.u.M. mitzunehmen und mich dort noch einmal ordentlich versorgen zu koennen. Weiterer Vorteil ist der langsamere Anstieg und somit die bessere Akklimatisation an die Hoehe. El Salvador ist eine Stadt auf 2300 m.u.M., die nur aufgrund der nahegelegenen Kupfermine von Codelco mitten in der Atacamawueste liegt. Das benoetigte Trinkwasser kommt uber Hunderte von km langen Leitungsrohren von den Bergen in den Anden hier. Nach El Salvador sind es noch 2400 Hoehenmeter und 230 km bis zum Paso San Francisco und dann noch einmal fast genau 200 km zur ersten Stadt in Argentinien, Fiambala auf 1500 m.u.M. Und dazwischen liegt genau gar nichts, zumindest was ordentliche Siedlungen und somit Menschen anbelangt. So schlimm ist es in der Realitaet dann doch nicht, denn fast 500 km ohne Wasserversorgung und Notunterkuenfte waeren auf dem Bike eigentlich kaum zu schaffen. Von Copiapo bin ich die 200 km nach El Salvador auf guter Asphaltstrasse ueber Inca de Oro (Uebernachtungsort am ersten Tag) in 2 Tagen gefahren. Das Gemeine auf dieser Strecke ist, dass man einmal gut 800 Hoehenmeter ins Tal fahren muss, also diese Meter zusaetzlich machen muss. Der Wind war hier recht guenstig, wie allgemein bis zur Passspitze, der Wind kommt hier ja fast immer direkt aus dem Westen vom Pazifik. Der 2. Tag von Inca de Oro bis El Salvador machte mich schon ziemlich fertig und liess ziemliche Zweifel bez. der Bezwingbarkeit des San Francisco in mich aufkommen. Man muss sich das ungefaehr so vorstellen: Ewig lange Geraden inmitten von Sand und Stein, scheinbar eben, mit leichtem Rueckenwind, eigentlich ideal zum Fahren. Aber: man schaut auf den Tacho und was sieht man, max. 10 km/h. Man visiert einen Punkt in der Ferne an und naehert sich ihm scheinbar stundenlang ueberhaupt keinen Meter an! Na gut, ich habe es bis dorthin geschafft und habe dann mal einen Ruhetag eingelegt. Habe meine Vorraete und meine Ausruestung kontrolliert, eingekauft, Wassersaecke gefuellt und moeglichst viele Informationen ueber Strassenzustand und Wasserstellen eingeholt. Das Problem ist, dass fast jede Infoquelle etwas anderes sagt..... Jedenfalls startete ich mit etwa 8-9 Liter Wasser und Essen fuer ca. 7-8 Tage. Die Packtaschen waren zum Bersten voll, das Rad schwer ohne Ende und das genau dann, wenn man am steilsten nach oben muss! Na Mahlzeit. Entsprechend schnell ging ich in den ersten Anstieg rein. Nach knappen 20 km ging es zu meiner Freude (!!) mit fast 80 km/h wieder ins Tal hinunter. Die Strasse bestand hier aus einer mit Salz befestigten Piste, super zu fahren, fast so gut wie Asphalt. Meinen Infos zufolge sollte das bis zum Pass so andauern. Jedenfalls stellte ich hier meinen Geschwindigkeitsrekord fuer mein MTB mit Gepaeck auf. Haette nicht gedacht, dass das ausgerechnet bei der Auffahrt zum Paso San Francisco passiert! Nachher gings logisch genauso steil wieder nach oben, aber ich fuehlte mich trotz schwerem Rad gut in Form und war voll motiviert. So erreichte ich bald wieder die 3000 m.u.M. und dort dann eine Kraftwerksstation. Die Arbeiter hiessen mich gleich herzlich willkommen, spendierten mir ein Mittagessen und einen heissen Tee, obwohl es hier noch ordentlich warm war. Weiters versorgten sie mich mit zuverlaessigen Infos. Ca. 50 km weiter gab es eine weitere Station, wo das Wasser fuer ihr Kraftwerk gefasst und mit Rohren zu ihren Turbinen geleitet wurde. Dort waren 4 ihrer Kollegen stationiert. Schon mal positiv: die naechste Wasserstelle. Ich sah schon, ich hatte viel zu viel Wasser mit, aber noch ging es eine Weile nach oben, also nur nichts vergeuden. Ich kam weiter mit 5-6 km/h gut voran und erreichte bald die naechste Anhoehe, von der an es mal ein paar km nach unten ging. Ab hier war es nicht mehr weit bis zum Salzsee Salar de Pedernales und der langen Ebene des Altiplano. Mich empfing ein stuermischer Rueckenwind, ein unvergesslicher Anblick des Salar und der umliegenden Bergspitzen. So vergass ich fast den Sinn der Pedale und machte fleissig km. Ploetzlich lag die vorhin erwaehnte Station in Tagesreichweite. Schliesslich erreichte ich sie wirklich gegen 18 Uhr. Die Arbeiter staunten schon mal nicht schlecht und luden mich sofort in ihre Kantine ein. Meine Anfrage, ob ich mein Zelt hier aufschlagen darf, wurde umgehend abgelehnt! Logisch wurde ich in ein Zimmer einquartiert (die obligatorischen Fotos an den Waenden in einem reinen Maennerquartier durften logisch nicht fehlen ;)), kriegte eine heisse Dusche und war ob des unverhofften Luxus ziemlich uebergluecklich. Nebenbei ist diese spontane Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft eigentlich das, weswegen ich so eine Reise ueberhaupt mache. Mir bleibt so etwas immer mehr in Erinnerung als jede noch so schoene Landschaft! Am naechsten Tag ging es bei strahlendem Sonnenschein und guter Piste weiter. Nach etwa 50 km folgte die chilenische Grenzkontrolle, die gute 100 km von der eigentlichen Grenze entfernt liegt. Dort musste ich erst mal einen Beamten suchen, schliesslich fahren hier ja ungefaehr 3 Fahrzeuge pro Tag ueber die Grenze! Ich kriegte meinen Stempel und weiter gings. Hier begannen umfangreiche Bauarbeiten, die sich auf mich erstmal positiv auswirkten. Die naechsten 20 km konnte ich auf neuer Asphaltdecke dahinradeln. Dabei hatte ich zu meiner Rechten den naechsten Salzsee, den Salar de Maricunga! Also gabs immer was zu Sehen. Leider aenderte sich die Situation drastisch! Der Asphalt war zu Ende und aufgrund der Arbeiten begann eine lose Schotter- und Wellblechpiste. Es zogen dunkle Wolken am Himmel auf, alle paar Minuten ueberholte oder kreuzte mich ein LKW der Strassenarbeiten. Ich kam fast nicht mehr weiter, jede kleine Steigung machte mich uebel zu keuchen, schliesslich war ich schon fast auf 4000 m.u.M.. Es wurde kalt, ich zog meine Jacke an und kaempfte mich verzweifelt eine 8 km lange Steigung hoch. Fast am Ende dieser traf ich auf den Baustellenleiter, den ich sofort zu den Arbeiten befragte. Er hatte keine gute Nachrichten: Die Arbeiten gehen bis zur Passhoehe und die Strasse ist bis dorthin schlecht! Na super! Aber, man kann eh nix machen, also stieg ich wieder aufs Rad und arbeitete mich weiter hoch. Aufgrund falscher Distanzberechnungen meinerseits fuhr ich an der einzigen Wasserquelle hier vorbei und biwakierte etwa 5 km weiter auf 4400m.u.M. neben einem LKW und Bagger. Ein Sandhaufen sollte ein bisschen Windschutz bieten. Ich zog alle verfuegbaren Kleidungsstuecke an und baute mein Zelt auf. Gekocht wurde auf dem Vorderreifen des Baggers und gegessen habe ich in der Kabine des LKW, der zum Glueck nicht abgeschlossen war. Dort war ich wenigstens vom Wind geschuetzt. Es war zwar ziemlich kalt, aber ich hatte Glueck, die Regenwolken zogen weiter und es kam nochmal die Sonne zum Vorschein. Ich verzog mich bald in mein Zelt und meinen Schlafsack und hoffte auf gutes Wetter morgen. In der Nacht hatte ich teilweise ziemlich stuermischen Wind, ich schlief aufgrund der Hoehe nicht besonders, hatte staendig Durst, aber zum Glueck keinen Kopfweh.
Der naechste Tag begann mit -3 Grad im Zelt und Sonnenschein draussen. Ich fruehstueckte im LKW und setzte mich dann erst recht spaet aufs Rad. Es fehlten noch 70 km zum Pass. Immer wieder begegneten mir Arbeiter in ihrer Camioneta, einigte fragten ob alles ok war und boten Wasser an. Meine Sorgen diesbezueglich schwanden dahin. Dagegen war die Piste teilweise wirklich schlecht. Zum Glueck gab es fuer die LKWs eine eigene Piste, so musste ich wenigstens nicht standig Staub schlucken. Nach etwa 30 km schienen die Hauptarbeiten abgeschlossen und ich war fast wieder alleine auf weiter Flur. Ich hatte noch etwa 10 km bis zur Laguna Verde, ein Salzsee, der etwas 20 km vom Pass entfernt liegt. Dort traf ich auf einen Arbeitertrupp beim Betonieren eines Wasserablaufkanals, die mich wieder in ihre Baracke zu einem Kaffee und Snacks einluden und meine Wasservorraete auffuellten. War wieder mal super! Bald darauf erreichte ich die Laguna Verde, die mit den umliegenden Bergspitzen (einige ueber 6000 m hoch) wirklich einsame Spitze ist. Ich schoss einen Haufen Fotos und stuerzte mich dann in einen der beiden Tuempel mit ca. 35 Grad warmen Termalwasser. Der See ist kalt, aber aufgrund der Vulkane hier gibt diese 2 kleinen Tuempel mit warmem Wasser. Ich entspannte mich dort ungefaehr eine Stunde, man kann sich gar nicht vorstellen, wie super so was in dieser Hoehe ist. Angeschlossen an diese Quellen gibt es einen Bergsteigerstuetzpunkt, wo man zelten kann, Wasser kriegt und es einen Platz zum Kochen gibt. Ich verbrachte noch einen recht angenehmen restlichen Tag dort, kochte gemuetlich etwas und genoss den Windschutz. Ein paar Bergsteigertrupps waren auch dort. Von hier wird der hoechste Berg Chiles, der Ojos del Salado, bestiegen. Immerhin knappe 7000 m hoch. Die Nacht war diesmal waermer und ich machte mich bei wieder wolkenlosem Himmel auf die letzten 20 km zum Gipfel. Doch schon nach 2 km merkte ich, dass mein Hinterreifen kaum mehr Luft hatte. Ich pumpte wieder auf, musste das seit einer Woche so alle 2 Tage machen, keine Ahnung, was mit dem Schlauch los war! Diesmal kam ich jedoch nicht weit. Nach weiteren 6 km hiess es endgueltig Schlauch wechseln. So kurz vor dem Pass! Meine Laune sank drastisch. Da diese verstaerkten Tourenreifen ziemlich schwer zu montieren sind, beschaedigte ich beim ersten Versuch meinen Schlauch, musste ihn flicken und die ganze Prozedur wiederholen. Jedenfalls dauerte es eine Stunde bevor ich weiterfahren konnte. Die Strasse bis zum Pass hatte noch ein paar ueble Abschnitte, war gesamt aber nicht schlecht und ich ueberwand auch noch die letzten km Anstieg, bevor endlich das Schild der Grenze zu Argentinien auftauchte und ich am hoechsten Punkt angelangt war! Ich fuehlte mich grossartig und stuerzte mich nach einer Pause die Kehren zum argentinishcen Grenzstuetzpunkt hinunter. Die Argentinier haben ihre Seite komplett asphaltiert, sehr gut!! Der Stempel wurde wurde wieder von einem verschlafen wirkenden Polizisten in den Pass gedrueckt und schon gings weiter. Oder doch nicht: mein Hinterreifen war wieder auf Halbmast!! Sch... ich pumpte ein und fuhr weiter. Nach 10 km war die Luft wieder fast draussen. Was tun? Bis zum naechsten Refugio etwa 30 km entfernt weiterfahren und riskieren ein paarmal pumpen zu muessen oder die ganze Packtasche ausraeumen, neuen Schlauch suchen und montieren? Ich entschloss mich fuers Pumpen und schaffte es mit 4 weiteren Pumppausen und trotzigem Fahren ohne Luft bis zum Refugio am Strassenrand. Die Argentinier haben auf ihrer Seite insgesamt 6 dieser Notunterkuenfte gebaut. Im Prinzip sind es leere Huetten mit Notrufpunkt. Aber man hat ein Dach ueber den Kopf und einen windgeschuetzten Platz zum Schlafen. Ich war ziemlich froh darueber und flickte mal als erstes meinen Platten. Nicht ohne vorher Reifen und Felge kontrolliert zu haben. Aber ohne Wasser konnte ich das Miniloch im Schlauch nicht finden und so nicht wissen, wo das Problem ev. lag. Ich hatte unvorsichtigerweise am letzten Stuetzpunkt nicht nach mehr Wasser gefragt und hatte nur mehr 2 Liter bis zum etwa 40 km entfernten naechsten Hotel mit. So suchte ich einen etwa 1 km querfeldein gelegenen Bach auf, wusch mich dort und fuellte ein paar Liter Brauchwasser ab. Das filterte ich durch ein Baumwolltuch und entkeimte es. Zumindest zum Kochen und Zaehneputzen reichte es jedenfalls. Der Wind war inzwischen ziemlich heftig geworden und leider fuer mich unguenstig, Regenwolken zoegen auf, also entschloss ich mich, am naechsten Tag frueh zu starten. Ich schlief auf dem harten Betonboden und meiner Schlafmatratze recht gut und startete wieder bei schoenem Wetter weiter. Nach etwa 40 km erreichte ich mit hohem Tempo das Hotel, fruehstueckte und fuellte meiner Wasservorraete auf. Es fehlten nur noch etwa 100 km und 2000 Hoehenmeter nach unten bis zur ersten argentinischen Stadt, Fiambala. Aber beim Verlassen des Hotels und beim neuerlichen Starten fuhr wieder ein Schreck durch meine Glieder: mein Hinterreifen hatte wieder spuerbar weniger Luftdruck als beim Start am Morgen. Den eventuell folgenden Schaeden zum Trotz fuhr ich noch 30 km weiter. Dort traf ich endlich auf einen Bach, wo ich meine Schlaeuche kontrollieren konnte. Jetzt wurde auch die Ursache fuer meine Schaeden entdeckt: Ich hatte einen Metallstift im Reifen und zusaetzlich noch einen ziemlichen Schnitt im Gummi! Also musste der Ersatzreifen her und nun kam ich die restlichen km bis nach Fiambala ohne weitere Probleme. Ich durchquerte noch eine wunderschoene Felsschlucht und ueberwand die letzten km bei starkem Gegenwind. Jetzt bin ich gluecklich, das Abenteuer geschafft zu haben und wieder in der Zivilisation angekommen zu sein. Aber andererseits vermisse ich die Berge und diese Landschaft und Einsamkeit schon. Aber warme Temperaturen, eine ordentliche Dusche und ein "bisteca milanesa" sind auch nicht zu verachten;) Ich hoffe, ich war nicht zu ausschweifend!!

Bis bald wieder mal
Armin

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